Deutsch-dänischer Austausch: Fernwärmeversorger schauen über den Tellerrand

03.08.2023

Bericht über das Treffen des Deutsch-Dänischen Energieeffizienz- und Klimaschutz-Netzwerks in Odense

Nach etwa 8 Stunden hält die deutsche Reisegruppe auf dem Parkplatz von Fjernvarme Fyn in Odense. Nach einem freundlichen Empfang durch Jakob Rasmussen, Manager des hiesigen Fernwärmesystems, trifft sich das einzige länderübergreifende Netzwerk der Netzwerkinitiative zum ersten Mal in Dänemark.

Gestartet ist das aus Fernwärmeunternehmen bestehende Netzwerk bereits im Januar 2021, doch bedingt durch die Corona-Pandemie konnten keine persönlichen Treffen stattfinden. Begleitet wird das Deutsch-Dänische Energieeffizienz- und Klimaschutz-Netzwerk (DDEEKN) von dem deutschen Fernwärmeverband AGFW, dem Danish Board of District Heating (DBDH) und der dänischen Botschaft in Berlin.

Während des zweitägigen Besuches stehen eine Werksführung bei Fjernvarme Fyn in Odense, eine gegenseitige Vorstellung der Fernwärmesysteme, die Besprechung der Entwicklungen seit dem letzten Austausch sowie ein Abstecher zum 40 Kilometer entfernten Ort Assens inklusive Werksführung auf dem Programm.

Rasmussen führt die Netzwerkmitglieder aus Rostock, Flensburg, Bremen und Hamburg über das Gelände seines Erzeugungsparks. Odense, eine Stadt mit etwa 200.000 Einwohnern, wird nahezu komplett mit Fernwärme versorgt. An das 2.250 Kilometer lange Fernwärmenetz sind rund 90.000 Haushalte angeschlossen. Es geht vorbei an Wärmepumpen, Wärmespeichern aus Stahl, durch ein Kohlekraftwerk und eine Müllverbrennungsanlage. Es zeigt sich schnell: der Erzeugungspark setzt auf alle möglichen Technologien und nicht-fossilen Brennstoffe wie Biomasse, Biogas aus Gülle und Biomethan aus biologischen Abfällen.

Die Wärmeversorgung soll diversifiziert werden

Diese breite Aufstellung in der Wärmeerzeugung ist auch nötig, denn Fjernvarme Fyn will bis 2030 klimaneutral sein. 2020 wurden etwa 20 Prozent der Energiedurch die Verbrennung von Kohle erzeugt. Diese sollte eigentlich bis 2023 durch Gas ersetzt und nur noch in Zeiten mit Peaks verbrannt werden, in denen der Energieverbrauch im Fernwärmesystem sehr hoch ist. Aber auch in Odense mussten die Pläne in Folge der Energiekrise angepasst werden. Tatsächlich wird aktuell mehr Kohle verbrannt als 2020. Doch Rasmussen und Fjernvarme Fyn sind zuversichtlich, das gesteckte 2030-Ziel zu erreichen. Das Unternehmen will seinen Erzeugungspark weiter aus- und umbauen. Durch die Verbrennung von Hausmüll, industriellen Abfällen und Biomasse wurden vor der Energiekrise im Jahr 2020 bereits mehr als zwei Drittel der Energie erzeugt. Investitionen in weitere Wärmepumpen, elektrische Boiler, Müllverbrennung, Nutzung von Abwärme und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (mit Biomasse als Brennstoff) sollen die fossilen Brennstoffe ersetzen.

Die Entwicklungspläne aller Netzwerkunternehmen haben die Dekarbonisierung zum Ziel. Doch während in Dänemark der Fernwärme-Ausbau seit der Ölkrise in den 70er Jahren vorangetrieben und staatlich mit entsprechenden Rahmenbedingungen begleitet wurde, setzte Deutschland lange auf Öl, Erdgas und Kohle in der Wärme- und Stromerzeugung. Bis vor der Energiekrise galt Erdgas in Politik und Wirtschaft als Übergangsbrennstoff auf dem Weg zur Klimaneutralität. Das System Fernwärme hatte keine herausragende Priorität. Das hat sich grundlegend geändert.

Wärmepumpen
Wärmepumpen, Fjernvarme Fyn

Nur mit den passenden Rahmenbedingungen und staatlichen Fördermitteln gelingt eine großflächige urbane Wärmewende

Die Wärmewende stellt die deutschen Fernwärmeversorger vor Herausforderungen, die auf dem Netzwerktreffen viel diskutiert werden. „Der Ausbau der Fernwärme-Netze und die gleichzeitige Erweiterung und Transformation der Erzeugung stellen unsere Unternehmen vor große Investitionsentscheidungen“, erklärt der stellv. Geschäftsführer des AGFW, John Miller.„Die Vorstellung der deutschen Politik, in den nächsten zwanzig Jahren die Fernwärme zum wesentlichen Standbein insbesondere in der urbanen Wärmeversorgung zu machen, ist nur unter entsprechenden Voraussetzungen denkbar.“ Für das auf dem deutschen Fernwärmegipfel gesteckte Ziel von jährlich mittelfristig 100.000 neu angeschlossenen Gebäuden an die Fernwärmenetze und die gleichzeitige Transformation zur Klimaneutralität fehlt es derzeit noch an den passenden Rahmenbedingungen und staatlichen Fördermitteln.

Fernwärme: Dänen nutzen (noch) alle verfügbaren Ressourcen für Wärmerzeugung

Im direkten Vergleich der Fernwärme-Systeme von Dänemark und Deutschland wird schnell klar: Die Dänen sind uns Jahrzehnte voraus. Während hierzulande etwa 14 Prozent der Haushalte mit Fernwärme versorgt werden, sind es in Dänemark etwa 65 Prozent. Die erzeugte Energie stammt bei unseren nördlichen Nachbarn zu etwa 60 Prozent aus erneuerbaren Energien, in Deutschland sind es etwa 30 Prozent inklusive unvermeidbarer Abwärme.

Doch ein direkter Vergleich hinkt. Nicht nur weil Dänemark mit etwa 5,9 Millionen Einwohnern und lediglich vier Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern deutlich kleiner als Deutschland ist, sondern weil Dänemark die Wärmewende bereits Ende der 70er Jahre in Folge der Ölkrise begann. So beschlossen die politisch Verantwortlichen bereits 1979 das erste Wärmeversorgungsgesetz. Die Wärmeplanung wurde für alle Kommunen verpflichtend. Konkrete Gebiete wurden für Fernwärmeversorgung vorgesehen. Haushalte erhielten einen Anschlusszwang an Fernwärmeversorgungsnetze. Begleitet wurde das Ordnungsrecht von Steuererhöhungen und Subventionen. 1986 erhöhte die Regierung die Steuern auf Strom, Erdgas und Öl für Heizzwecke. Anfang der 90er folgte eine CO2-Steuer auf fossile Brennstoffe. Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und die Verwendung von Biomasse sowie der Ausbau der Wärmenetze wurden ab den 80er und 90er Jahren mit Subventionen und Investitionszuschüssen gefördert. In Deutschland soll in diesem Jahr ein bundesweites Wärmeplanungsgesetz beschlossen werden.

Die Dänen nutzen aktuell alle ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen und Quellen für die Wärmeerzeugung in ihren Fernwärme-Systemen. Auf diesem Weg befinden sich auch die deutschen Fernwärmeversorgungsunternehmen. Der Einsatz von Großwärmepumpen, Geothermie, Solarthermie, Power-to-Heat und Abwärme aus Industrie, Gewerbe, Rechenzentren und Abwasser werden in Zukunft in allen Fernwärme-Systemen eine größere Rolle spielen müssen. Nur so ist eine klimaneutrale Wärmeversorgung auf Dauer möglich.

Doch der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist in der Fernwärme unverzichtbar. Mit der gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme können Grundlast und Leistungsspitzen abgedeckt werden. 60 Prozent der Fernwärme wird in Dänemark mit dieser Technologie erzeugt. In Deutschland sind es über 80 Prozent.

Zur Verbrennung in KWK-Anlagen setzen unsere Nachbarn auf die fossilen Energieträger Kohle und Gas sowie auf Biomasse und Abfall. Um bis 2030 fossile Brennstoffe aus der Fernwärme zu verdrängen (so das erklärte Ziel in Dänemark), muss der Anteil an Biomasse, Biogas und auch Abfall weiter steigen. In Deutschland können wir aufgrund einer begrenzten Verfügbarkeit nur beschränkt auf Biomasse als Brennstoff setzen. Erdgas ist daher aktuell ein wichtiger Energieträger für die Erzeugung von Wärme (und Strom). In der Zukunft muss Wasserstoff an diese Stelle treten.

Netzwerker vor Ort bei Fjernvarme Fyn (v.l.): Dr. Tom Trittin (Stadtwerke Flensburg), Jesper Møller Larsen (Verdo Forsyningsservice), Martin Brauer (Stadtwerke Rostock), Thomas Voss (Stadtwerke Flensburg), Jakob Rasmussen (Fjernvarme Fyn Odense), John Miller (AGFW), Morten Duedahl (DBDH), Marc Roar Hintze (Assens Fjernvarme), Johannes Jakobi Pedersen (Hillerød Forsyning), Ulrich Goethe (Hamburger Energiewerke), Marcus Krücken (swb AG)

Im Rahmen des Deutsch-Dänischen Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerks werden jedoch nicht nur technische und politische, sondern auch betriebswirtschaftliche und rechtliche Fragen besprochen. In Dänemark sind Verträge zur Lieferung von Abwärme zwischen Wärmelieferanten wie Industrie und Gewerbe und dem Fernwärmeversorger oft nur zwei Seiten lang. Dazu braucht es neben Bürokratieabbau sowie passenden politischen Rahmensetzungen Vertrauen zwischen den Akteuren und den gemeinsamen Willen, die Wärmewende erfolgreich zu stemmen.

Autor & Redakteur: Sascha Frischmuth, AGFW e.V.

Bildnachweise: AGFW e.V.